Funeral Planning: Vorbereitet sein, wenn die letzte Stunde schlägt

Die Abdankung der Queen war minutiös geplant. Nichts war dem Zufall überlassen. In der Schweiz wird «Funeral Planning» zur Geschäftsidee: Eine Ökonomin plant mit Menschen zu Lebzeiten, wie sie ihre Beerdigung wünschen. Inklusive Gästeliste, Musikwünschen und Fragen zum Erbe.

Barbara Schärz (57) steht oft auf Friedhöfen am offenen Grab, besucht Abdankungen in Kirchen und nimmt an Leichenmählern teil. All das tut sie von Beruf wegen – ist aber weder Pfarrerin noch Bestatterin.

Schärz arbeitete früher als Ökonomin in der Privatwirtschaft. Sie lebte in London, New York, Zürich. Tempi passati. Seit sieben Jahren führt die Bernerin das schweizweit tätige Unternehmen «Funeral Planning» in Rapperswil SG. Sie berät und unterstützt Menschen, die ihre Bestattung planen wollen – zu Lebzeiten.

Barbara Schärz, Geschäftsführerin von "Funeral Planning" in Rapperswil SG

Was darf es denn sein? Erdbestattung oder Urnenbeisetzung?

Am Esstisch in ihrer Wohnung erzählt die 57-Jährige in ihrem schnellen Berndeutsch, wie sie das macht. «Ich habe zusammen mit einem Juristen ein elfseitiges Dokument entwickelt, das man mit einem Inventar vergleichen kann.» Mit diesem Dokument im Gepäck besucht Schärz ihre Kundinnen und Kunden. Festgehalten wird darin alles, was sich der Mensch für das eigene Begräbnis wünscht.

Erdbestattung oder Urnenbeisetzung? Wünscht man eine Abdankung in der Kirche? «Viele Menschen – auch solche, die aus der Kirche ausgetreten sind – möchten eine kirchliche Abdankung, sei es nun reformiert oder katholisch», sagt Barbara Schärz.

«Ich muss auch den Konfessionslosen eine Lösung anbieten.»
— Barbara Schärz

Leute, die ihre Asche im Wald verstreut haben wollen, seien eher die Ausnahme. Sie arbeite jedoch mit einem Zen-Mönch zusammen. «Als ich mit dieser Arbeit anfing, war mir klar: Ich muss auch den Konfessionslosen eine Lösung anbieten.» Das halbstündige Zeremoniell des Mönchs komme bei der Trauergemeinde sehr gut an, berichtet sie.

Menu fürs Leichenmahl

Die Kunden können in dem Dokument festhalten, welche Musik bei der Abdankung gespielt werden soll, welche Blumen das Grab schmücken sollen oder was beim Leichenmahl aufgetischt wird. «Eine Kundin hat mit mir zusammen die Speisekarte des Restaurants studiert und das Menu zusammengestellt: Salat, Zürigeschnetzeltes und Caramelchöpfli.»

Grabschmuck

Das Dokument enthält weitere Rubriken: So können bestehende Verträge aufgelistet werden, ebenso Bankkonten, Social-Media-Accounts, Passwörter, die wichtigsten Kontakt-Adressen. «Wichtig ist auch festzuhalten, wo die Verträge abgelegt sind, wo der Tresorschlüssel aufbewahrt wird oder das Testament versorgt ist», sagt Schärz.

«Ich sorge im Hintergrund dafür, dass alles wie geplant abläuft.»

Barbara Schärz hat noch mehr im Portfolio als nur die «Beratung zur selbstbestimmten Vorausplanung». Auf Wunsch organisiert sie – nach dem Ableben des Kunden – die Beerdigung. Die meisten Hinterbliebenen wollten zudem, dass sie bei der Beerdigung vor Ort ist. «Ich sorge im Hintergrund dafür, dass alles wie geplant abläuft.»

Eine Abdankung kann mit mehr oder weniger Aufwand verbunden sein. «Zu meiner grössten Abdankung kamen 400 Personen. Meine Tätigkeit ist in solchen Fällen nichts anderes als Projektmanagement.»

Schiff zu verkaufen

Manche der im Dokument notierten Angaben werden erst benötigt, wenn es um die Auflösung des Nachlasses geht. Auch in diesem Bereich bietet Barbara Schärz Unterstützung an. So organisiert sie die Räumung von Wohnungen und sucht Abnehmer für Wertgegenstände. Das können Möbel und Autos sein – oder auch mal ein Schiff.

Ein verstorbener Kunde war Goldschmied, zuhause hatte er noch ein Atelier. Sie habe in ihrem Netzwerk nach einem Goldschmied gesucht und sei schliesslich fündig geworden. «Die Witwe konnte das ganze Rohmaterial der Goldschmiedin verkaufen. Das war eine Win-Win-Situation für alle Parteien», erzählt sie.

Die Hinterbliebenen müssen nichts entscheiden.
— Barbara Schärz

Warum ist es sinnvoll zu planen, was nach dem eigenen Tod geschehen soll? Barbara Schärz beantwortet die Frage indirekt: «Die Kunden sind erleichtert, wenn sie es gemacht haben. Sie stellen fest: Es tut nicht weh, man kann darüber sprechen. Und ihre Wünsche sind nun in einem Dokument festgehalten.»

Auch für die Hinterbliebenen sei es eine Entlastung, wenn sie nicht darüber rätseln müssten, was der Verstorbene wollte. «Die Hinterbliebenen müssen keine Entscheidungen fällen, sondern können einfach seine Wünsche ausführen.»

50 plus oder jung und krank

Die Geschäftsfrau hat festgestellt, dass sich Menschen erst an sie wenden, wenn sie finden, nun sei die Zeit dafür gekommen. Bei den meisten Leuten laufe vorher ein Prozess ab, der Jahre dauern könne. «Oft entscheiden sie sich nach einem Todesfall in der Familie oder im Freundeskreis, meine Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen», sagt Schärz.

Die meisten Kundinnen und Kunden seien im Alter von 50 und 60 plus. Jüngere Menschen kommen zu ihr, wenn sie aufgrund einer schweren Krankheit den Tod vor Augen haben. Oder einen Todesfall in ihrem Umfeld erlebt haben, bei dem es zu Schwierigkeiten kam.

Kunden sind «keine Rappenspalter»

«Funeral Planning» als Dienstleistung ist laut Schärz in den USA seit längerem etabliert. Aber auch hierzulande sei es unterdessen «ein Thema». Ihre Kunden seien «keine Rappenspalter», erklärt sie und fügt hinzu, das sei «nicht despektierlich» gemeint: «Wer zu mir kommt, will die Dienstleistung.»


Ihre Kundinnen und Kunden wollten sich nur begrenzt mit den organisatorischen und administrativen Arbeiten rund um Todesfälle befassen. Auch der Faktor Zeit spiele eine Rolle. «Man hat keine Zeit, sich darum zu kümmern, will aber trotzdem eine anständige Abdankung.» Schärz erzählt von einem international tätigen Kunden, dessen Mutter im Pflegeheim lebte. Von diesem habe sie eine Vollmacht bekommen, um an seiner Stelle aktiv zu werden, falls die Mutter sterben würde. «So ist es dann auch passiert.»

Verrechnung nach Aufwand

Barbara Schärz verrechnet ihre Dienstleistungen nach Aufwand. Im Voraus wisse man nie, wie viel Zeit man schliesslich benötige, insbesondere wenn die Kunden spezielle Anliegen hätten. Wie hoch ihr Stundenansatz ist, will die Geschäftsfrau aber nicht verraten.

Emotionen müssen Platz haben.
— Barbara Schärz

Barbara Schärz sagt, bei schwierigen familiären Verhältnissen sei sie die neutrale Person in dem Ganzen, die dann und wann auch zwischen Familienmitgliedern vermittelt. Sitzen die Familien an ihrem Stubentisch im Gespräch mit ihr, fliessen nicht selten Tränen. «Dann ist es wichtig, dass man emphatisch ist. Emotionen müssen Platz haben.»

Bei den Leichenmählern übernimmt die Geschäftsfrau manchmal auch spontan den Lead, um die Stimmung aufzuheitern. In einem Fall war sie die Verbindung zwischen der Verstorbenen und den Gästen, die einander nicht kannten. Sie habe den 60-jährigen Göttibub gebeten, über ein Erlebnis mit seiner verstorbenen Tante zu berichten. «Es wurde richtig lustig. Die Leute haben angefangen, miteinander zu sprechen. Die Stimmung war zum Schluss eine ganz andere. Beim Abschied bedankten sich die Gäste bei mir für die schöne Feier.»

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